Walter Hunger (1903-1949)
Ingenieur Ernst Walter Hunger, geboren am 03.10.1903 in Oederan /Sachsen, legte nach dreijähriger Lehrzeit bei der Firma Erwin Kabis GmbH in Oederan seine Gesellenprüfung als Schlosser ab. Sein Ingenieurstudium an der höheren technischen Lehranstalt Hainichen schloss er 1927 ab. Er arbeitete u. a. bei J.E. Reinecker AG Chemnitz, Auto-Union Werk DKW Zschopau und ab 1939 als Leiter der Rohstoffbewirtschaftung, Planung, Kalkulation der Kesselfabrik F.L. Oschatz KG Meerane/Sachsen.
Er war verheiratet mit Elsa Erna Hunger, geb. Pretschner (19.07.1904 – 11.02.1977). Das einzige Kind war die Tochter Christine (geb. 27.01.1945).
Während seiner Hainichener Studienzeit hatte er sich einer „schlagenden Verbindung“ angeschlossen. Er spielte Tennis. Zudem war Walter Hunger ein sehr guter Klavierspieler. In Oederan führte er u. a. mit Familie Trost Hausmusik auf.
Wegen einer Herzkrankheit war er nicht zum Kriegsdienst eingezogen worden. Er war Mitglied der NSDAP, seine Funktion ist nicht bekannt.
Am 17.10.1945 wurde Walter Hunger in Meerane während der Arbeit in der Kesselfabrik F.L. Oschatz vom NKWD verhaftet. Sein Leidensweg führte ihn danach über die sowjetischen Speziallager Bautzen (bis 28.03.1946) und Mühlberg (bis 16.09.1948) bis ins NKWD-Lager Buchenwald, wo er am 18.02.1949 verstarb. Frau und Kind erhielten – trotz vielfacher Nachfragen - nie eine offizielle Nachricht über seinen Verbleib oder Tod. Vielmehr wurde Erna Hunger von den DDR-Behörden aufgefordert, ihren Ehemann für tot erklären zu lassen, um die dringend benötigte Witwenrente beziehen zu können. Trotz bitterster Armut tat sie das nicht.
Ein Lagerkamerad aus Mühlberg, Curt Hartmann (stammte aus Breslau, geb. 1894, kam auch über Bautzen nach Mühlberg), schrieb nach seiner Entlassung aus dem Lager Mühlberg am 20.08.1948 an Erna Hunger und berichtete, dass Walter Hunger im Sommer 1948 ebenfalls aus Mühlberg entlassen werden sollte. Curt Hartmann suchte Erna Hunger auf und gab detaillierte mündliche Berichte über das Schicksal Walter Hungers. Davon ist leider nichts schriftlich übermittelt worden. Später meldete sich Curt Hartmann mehrfach aus Duisburg und erbat von Erna Hunger Fotos, um sich nach dem Schicksal Walter Hungers bei Ehemaligen-Treffen zu erkundigen. Er konnte in Erfahrung bringen, dass Walter Hunger von Prof. Keller (Leipzig) in den Lagern Mühlberg und Buchenwald behandelt wurde. Einem mündlichen Bericht zufolge wurde Erna Hunger von Prof. Keller in Leipzig zu einem 4-Augen-Gespräch empfangen, über dessen Inhalt nichts bekannt wurde. Die Korrespondenz mit Curt Hartmann endete zur gleichen Zeit (1952).
Erna Hunger hat die ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Verhaftung ihres Ehemannes und den sich anschließenden, quälenden und entwürdigenden Leidensweg bis zur Erlösung durch den Tod niemals verwunden. Es hat sie bis zu ihrem Tod (1977) beschäftigt und gequält. In ihrem Alltagsleben und –empfinden waren ihr Mann und besonders das Leben und Leiden im sowjetischen Speziallager immer präsent. Sie durfte nicht darüber sprechen, nicht einmal mit ihrer einzigen Tochter oder Enkelin – aber sie fand ihre eigene Redensart: „Im Krieg wären sie froh gewesen,…“ hieß das bei ihr, wenn die Enkel den Malzkaffee verschmähten, die Möhren nicht essen mochten oder sich nicht in die kratzige Kamelhaardecke hüllen wollten. Erst zu spät haben die Enkel begriffen, was sie damit gemeint hat.
2011 wurde durch private Recherchen bekannt, dass auch der Kaufmann Erich Lehmann (geb. 1898 in Markranstädt, wohnhaft in Meerane, Schmiedestr. 29) am 17.12.1945 vom NKWD verhaftet und von Meerane nach Mühlberg gebracht wurde, wo er am 29.01.1948 verstarb. Erich Lehmann war ein Taufpate von Walter Hungers einzigem Kind, Christine.